Die Verstärker-Betriebsarten hängen entscheidend mit dem Ruhestrom (BIAS) der Röhre(n) zusammen. Oder anders ausgedrückt: Wie der Ruhestrom zur Röhre gelangt, denn mit dem Ruhestrom und die Betriebsart des Verstärkers wird der Arbeitspunkt der Röhre (in der Halbleitertechnik ist es der Transistor) bestimmt. Man kann den Ruhestrom (BIAS) gut mit der Leerlauf (Standgas) eines Motors vergleichen: Nur wenn der Leerlauf eines Motors optimal eingestellt ist, kann der Motor auch optimal arbeiten.
Die Betriebsart Class-A ist quasi die Ur-Schaltung in der Verstärkertechnik. Eine Endröhre verarbeitet das komplette Signal. Die Röhrenschaltung sieht zunächst nach nichts aus, stellt aber hohe Anforderungen an den Bauteilen und erfordert ein gewisses Maß an Kenntniss, so einen Verstärker selbst zu aufzubauen. Dafür klingt es mehr oder weniger gut – im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist die gesamte Röhrenschaltung dafür verantwortlich und nicht nur die Endröhre. Aber: Der Klang eines Class-A Verstärkers ist deutlich von Oberwellen (Klirr) geprägt – in keiner anderen Röhrenschaltung tritt der »Röhrensound« so deutlich zu Tage, wie eben bei Class-A.
Ein Synonym für die Class-A Schaltungstechnik ist oftmals Single-Ended bzw. Eintaktverstärker – der bekannteste Vertreter dürfte wohl der 300B-Verstärker sein. In den Datenblättern der Röhren wird diese Betriebsart meist Self-BIAS genannt: die Röhre bringt sich selber in den Arbeitspunkt. Man findet diese Betriebsart aber auch in Push-Pull – also Gegentaktverstärker.
Die gesamte Ansteuerleistung (Spannungshub) muss von der Vorstufe erbracht werden und stellt somit eine erhöhte Anforderung an die Vorstufe.
Ruhestrombestimmend bzw. Arbeitspunktbestimmend ist hier einzig und allein der Kathodenwiderstand. In HiFi-Röhrenverstärkern muss dieser so gewählt werden, dass die bestmögliche Leistung ohne gravierende Verzerrungen (Klirr) erreicht wird. Faustformel: Je geringer der Wert des Kathodenwiderstands, desto höher die Leistung, desto höher aber auch die Verzerrungen (Klirr). Daran kranken z.B. viele »China-Verstärker«, die häufig mit einem zu niedrigen Kathodenwiderstand das allerletzte Milliwatt aus der Röhre quetschen.
Nachteile:
Die Energieeffizienz bei Class-A ist grottenschlecht. Die meiste Energie verpufft als Abwärme. Da die Röhre permanent »unter Volldampf« steht, ist auch der Verschleiss höher. Spätestens dann,
wenn sich im oberen Röhrenglas bräunliche Verfärbungen zeigen, wird in naher Zukunft ein Röhrenwechsel fällig.
Mit der Betriebsart Class-A1 versucht man, den Röhrenverschleiss entgegen zu wirken und auch die Anforderungen der Vorstufe herabzusetzen. Das Steuergitter bekommt hier eine gewisse Dosis negative Vorspannung »injeziert«. Das Steuergitter ist hier also immer negativer als das Kathoden-Spannungspotential. In den Datenblättern wird diese Betriebsart häufig als Fixed-BIAS bezeichnet.
Auch die Energieeffizienz verbessert sich ein wenig. Der dicke Kathodenwiderstand (bei einer 300B ist es z.B. ein 50 Watt Widerstand) entfällt und kann nun wesentlich kleiner ausfallen (bei einer 300B in Class-A1 reichen dann 2 Watt).
Diese Betriebsart findet nur in Single-Ended Verstärker Anwendung. »Mal eben« die Endröhre zu wechseln, wie bei Class-A, ist hier nicht möglich. Hier muss das volle Programm eines Ruhestrom-Abgleichs durchlaufen werden.
Mit einem Regler (Poti) kann der Arbeitspunkt der Röhre festgelegt werden. Hierzu ist es erforderlich, den Spannungsabfall über den Kathodenwiderstand zu messen und diesen dann durch den Widerstandswert zu dividieren. Das Ergebnis ist der Ruhestrom in Ampere. In den Datenblättern der Röhren ist meist der maximale Ruhestrom genannt, den man nicht überschreiten sollte. Optimal wäre es, wenn alle Röhrenverstärker-Hersteller bzw. Importeure bzw. Händler eine Ruhestromempfehlung für die Endröhren geben würden. Das tun aber leider nicht alle.
Die Betriebsart Class-A2 ist relativ selten in Deutschland vorzufinden. Zumindest als Fix-und-fertig-Röhrenverstärker. In Taiwan oder Japan sieht das schon wieder ganz anders aus.
Prinzipiell funktioniert diese Technik wie Class-A, aber mit dem einen Unterschied, dass man hier hingeht und an dem Steuergitter eine hömoöpathische positive Spannungsdosis injeziert. Da dadurch das Steuergitter positiver als die Kathode wird, fliesst zwischen Steuergitter und Kathode der sog. Gitterstrom. Und das ist etwas, was man sonst vermeidet, wie der Teufel das Weihwasser.
Das Steuergitter ist aber speziell für diese Betriebsart konstruiert. Röhren, die so etwas »haben müssen«, sind meist Senderöhren, wie z.B. die 811A, 805 oder die 211 (nicht aber die 845!). Erst mit der richtigen Dosis Gitterstrom wird so eine Röhre »richtig wach« und kann dann auch verhältnismäßig viel NF-Leistung – bei moderatem Klirr – liefern. Leistungen von deutlich über 20 Watt in Single-Ended sind keine Seltenheit.
Achtung! Manchmal werden 211 oder 845 Röhrenverstärker mit über 20 Watt Ausgangsleistung angeboten. Das ist so eigentlich nicht möglich. Erst mit Class-A2 und nur bei der 211 ist das theoretisch möglich. Eine 211 in Class-A2 Betriebsart habe ich aber noch nicht gesehen!
Die Class-A2 Betriebsart findet man nur in Single-Ended Verstärker. Kennzeichnend für Class-A2 ist meist auch ein Zwischenübertrager, der von einer »dicken« Leistungsröhre, wie z.B. EL34, 6L6GC, 2A3 oder sogar 300B, angesteuert wird.
Nachteil: Solche Röhrenverstärker brauchen richtig viel Spannung – meistens um die eintausend Volt. Die Netzteilspannungen, besonders für den positiven Gitterstrom, müssen »stabil« anliegen und vor allem absolut brummfrei sein.
Hier in Deutschland ist, meines Wissens, nur der Audreal MS-6 (mit 805 Triode) als richtiger Class-A2 Verstärker erhältlich.
Diese Betriebsart findet man nur in Push-Pull Verstärker und ist genau das Gegenteil eines Class-A Verstärkers. Hier werden die einzustellenden Ruheströme so hoch gewählt, dass die in Gegentakt arbeitenden Röhren die maximalste Leistung liefern. Daneben arbeitet der Verstärker unter Betriebsbedingungen, die weit ausserhalb des Üblichen liegt (z.B. EL34-Gegentakt mit einer Betriebsspannung von 800 Volt). Die dadurch entstehenden Verzerrungen (Klirr) werden bewusst in Kauf genommen und bestimmen den Klang eines Verstärkers.
Für HiFi-Zwecke daher kaum geeignet. Deshalb findet man diese Betriebsart häufig in sog. Gitarrenverstärker. Die Endröhren bzw. die Verlustleistungen der Endröhren bestimmen den Klang und die NF-Leistung.
Nachteil: Die Gefahr von Übernahmeverzerrungen sind ausserordentlich hoch. Notwendigerweise muss hier (und in den folgenden Betriebsarten) das Signal durch eine Phasenumkehrstufe (hier wird das Signal in eine positive und negative Halbwelle aufgeteilt). Der englische Begriff »phase splitter« bezeichnet diese Schaltungsstufe wesentlich treffender. Die aufgeteilten Signale werden getrennt verstärkt und schlussendlich im Übertrager »zusammengesetzt«.
Die Endröhren (als Röhrenpaar) arbeiten hier immer wechselseitig (eine Röhre sperrt, während die andere Röhre eine Halbwelle verarbeitet). Die Kunst besteht nun darin, eine Röhre rechtzeitig zu »entsperren« und die bis dahin aktive Röhre zu »sperren«. Zu Übernahmeverzerrungen kommt es nun, wenn die Röhren zu früh oder zu spät sperren bzw. entsperren. Das zusammengesetzte Signal weist dann Lücken zwischen der positiven und negativen Halbwelle auf.
In einem Gegentakter (Push-Pull) ist der »phase splitter« übrigens die entscheidende Schaltungsstufe. Entscheidend ist das korrekte Aufteilen des Signals und – ganz wichtig – ein sehr stabile Spannungsversorgung. Aus diesem Grund wird meist die Phasenumkehrstufe und die Vorstufe aus einem separatem Netzteilzweig (besonders bei potenten Leistungsverstärkern) mit Spannung versorgt. Bei »kleineren« HiFi-Verstärkern werden relativ hohe Stützkapazitäten (Elkos) eingesetzt um evtl. auftretende Spannungsschwankungen auszugleichen.
Diese Push-Pull Betriebsart ist eigentlich ein Kompromiss von reinem Class-A und Class-B. Hier wird der Arbeitspunkt der Endröhren so gewählt, dass die Röhren im unteren Leistungsbereich in Class-A »fahren« und – je mehr Leistung abgerufen wird – langsam von »AB« zu »B« wechselt.
Ein gut durchdachter Röhrenverstärker hat dabei einen weiten Class-A bzw. Class-AB Bereich. Die Betriebsart Class-B soll, wenn möglich, überhaupt nicht erreicht werden. Falls in der Endstufe Pentoden Verwendung finden, arbeiten diese meist im leistungsfähigsten »Pentodenmodus« (Tetrodenmodus).
Quelle: frihu.com